Osterdemo gegen Gasförderung

Am Samstag vor Ostern fand die traditionelle Demo gegen Fracking in Rotenburg statt. Mehr als 250 Personen haben daran teilgenommen. Darunter auch wieder zahlreiche NABU-Mitglieder.

Roland Meyer, Vorsitzender des NABU Rotenburg, war gebeten worden, auf der Abschlusskundgebung zu sprechen.

Hier sein Redebeitrag:

 

"Liebe Rotenburgerinnen und Rotenburger, liebe Mitdemonstranten:

 

Vor fünf Jahren haben wir Quecksilber in der Nähe von Förderstätten nachgewiesen. Vor viereinhalb Jahren sind die erhöhten Krebsraten in Bothel und Rotenburg bekannt geworden. Vor inzwischen zweieinhalb Jahren wurde ein statistischer Zusammenhang zwischen den Erkrankungen und der Nähe des Wohnortes zu Bohrschlammgruben herausgefunden. Und nun wird weiter untersucht. Das ist gut. Aber zugleich muss endlich das Vorsorgeprinzip gelten. Wir fordern, dass die Gasförderung zumindest so lange ausgesetzt wird, bis erwiesen ist, dass sie nichts mit den Krankheiten zu tun hat.

 

Bei der Erdgasproduktion geht es vor allem ums Geld. Aber Gesundheit muss Vorrang vor Geschäftemacherei haben.

 

Wenn die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzt werden soll, darf nur ein Drittel der heute bekannten Vorräte an fossilen Brennstoffen genutzt werden. Das allermeiste muss in der Erde bleiben. Wer trotzdem und ohne dass Gesundheitsgefahren ausgeschlossen sind in der dicht besiedelten Metropolregion Hamburg Restvorkommen aus der Erde presst, ist kein guter Nachbar. Exxon, Wintershall-DEA, PRD, Vermillion und Co: Ihr seid hier nicht willkommen. Überlasst das bisschen hiesiges Gas getrost den Kindern und Enkeln. Es wird dadurch nicht schlechter, sondern steigt sogar im Wert.

 

Wir fordern: Schluss mit der Gasförderung, bis die Ursachen der Krebshäufungen bekannt sind. Keine weiteren Investitionen in die Gasförderung, keine neuen Bohrungen und keine weiteren sonstigen Anlagen. Und zwar mindestens, bis Gasförderung als Ursache der Krebshäufungen ausgeschlossen ist.

 

Ein zweites Beispiel für ein Handlungsdefizit: das Artensterben und die Verschmutzung unseres Wassers.

 

Die Biomasse der Fluginsekten hat dramatisch abgenommen. Gerade einmal eine von 40 landwirtschaftlichen Flächen ist einigermaßen artenreiches Grünland. Rotschenkel, Kiebitz, Brachvogel, Rebhuhn, Feldlerche – die Wiesen- und Feldvögel werden immer seltener. Seit Jahrzehnten. Und auch um die Flüsse ist es nicht gut bestellt. Und im Grundwasser haben die Nitratwerte an vielen Stellen das Erlaubte erheblich überschritten.

 

Alle Experten sind sich einig: Die wesentliche Ursache ist die intensive Landwirtschaft.

 

In Südamerika werden zum Schaden des Klimas Regenwälder gerodet, um Gen-Soja anzubauen. Das wird dann bei uns verfüttert. Dabei entsteht Gülle. Die belastet unsere Flüsse und unser Grundwasser. Und ein Teil des erzeugten Fleischs landet zu Billigpreisen in Entwicklungsländern und zerstört dort die Existenzgrundlagen heimischer Bauern. Dieses System ist irre. Und selbst bei uns nützt das „Wachsen oder weichen“ nicht einmal den Landwirten. Denn in den vergangenen 30 Jahren mussten drei Viertel von ihnen weichen.

 

Wir wollen, dass es weiter bäuerliche Betriebe in unseren Dörfern gibt. Wir sind bereit, für Lebensmittel anständige Preise zu zahlen. Wir wollen, dass Landwirte für Natur- und Landschaftspflege Geld erhalten. Deshalb fordern wir, dass die europäische Agrarförderung entsprechend umgebaut wird. Sie ist der größte Posten im EU-Haushalt. Liebe Leute: Geht zur Europawahl am 26. Mai und macht eure Kreuze bei denen, die bereit sind, endlich zu handeln! Und sprecht mit Freunden, Kollegen und Bekannten, damit sie das auch tun.

 

Punkt 3: der Klimawandel

 

Der Klimawandel ist bereits in vollen Gange. Um die Schäden in hoffentlich einigermaßen erträglichen Grenzen zu halten, muss der durchschnittliche Temperaturanstieg auf 2, besser 1,5 Grad begrenzt werden. Aber viel zu lange ist viel zu wenig geschehen. Ein Kohleausstieg erst in zwanzig Jahren ist zu spät. Wir fordern, dass endlich gehandelt wird.

 

Auf dieser Erde leben 7,6 Milliarden Menschen. Wir wollen keine Fluchtursachen schaffen und dauerhaft in Frieden miteinander auskommen. Das wird nur gelingen, wenn in Zukunft alle Menschen die gleichen Rechte haben. Auch die gleichen Verschmutzungsrechte.

 

Jeder Deutsche ist im Durchschnitt für 11 Tonnen CO2 im Jahr verantwortlich. Es dürfen nur etwa 2,5 Tonnen sein. Weniger als ein Viertel. Nicht sofort, aber möglichst schnell. Das ist dramatisch.

 

Politik und Wirtschaft erwecken den Anschein, dass sich der Klimawandel rein technisch wird lösen lassen. Durch Windparks, durch E-Autos, durch Fassadendämmung, durch Videokonferenzen statt Dienstreisen usw.. Ich glaube, da wird uns Sand in die Augen gestreut. Damit weiter viel produziert und verdient werden kann. Neue und immer mehr Technik alleine wird es nicht richten. Es kommt hauptsächlich auf uns an.

 

Beispiel: Windenergie trägt zu 2,5 Prozent zum Gesamtenergieverbrauch in Deutschland bei. Selbst wenn sie verdreifacht wird, ist der Effekt gering. Aber die Schäden in Natur und Landschaft sind groß. Hier bei uns und überall dort, wo die Förderung von seltenen Erden für Windräder und E-Autos riesige Giftmülldeponien im Freien schafft. Wir erzeugen in großem Ausmaß neue Probleme. Aber dass wir so unser eigentliches Problem, den CO2-Ausstoß, lösen, ist Wunschdenken.

 

Trotz des Ausbaus der Erneuerbarer Energien hat es in den vergangenen 40 Jahren nur zwei Mal einen Rückgang des CO2-Ausstoßes gegeben: beim Zusammenbruch der DDR-Industrie und bei der Wirtschaftskrise nach Lehmann-Brothers. Tatsache ist: Immer, wenn die Wirtschaft wächst, wächst der CO2-Ausstoß. Das ist keine Überraschung, sondern das können Wissenschaftler schlüssig erklären. Die Entkoppelung von Wachstum und Ressourcenverbrauch ist ein Versprechen, das bisher nie eingelöst wurde. Darauf dürfen wir uns nicht verlassen.

 

Lasst uns selbst etwas gegen den Klimawandel tun. Lasst uns vor allem weniger konsumieren: weniger Autos, weniger Fleisch, keine Flugreisen, weniger Mode, weniger neue Fernseher und so weiter. Weniger industrielle Produktion. Dafür nach und nach mehr Selbst- und Nahversorgung, längere Nutzungsdauern, mehr Reparatur, mehr Second-Hand, mehr gemeinschaftliche Nutzung. Ein Leben auf kleinerem Fuße. In einer schrumpfenden Wirtschaft werden wir zwar etwas weniger Einkommen haben. Aber dafür freiere Zeiteinteilung, mehr Miteinander, mehr Gerechtigkeit und Frieden in der Welt. Denn in Wirklichkeit brauchen wir viel weniger, als wir uns heute auf Kosten des Klima und der Natur leisten. So wie bisher, geht es nicht weiter. Lasst uns anfangen. Freiwillig und fröhlich und bevor es ganz zu spät ist."